II. Prozesskomplex – 1. Prozesstag

Am Montag, den 11.01.2016 fand der erste Prozesstag des zweiten
Sammelprozess-Komplexes vor dem Bückeburger Landgericht statt. Der
Prozess wird gegen einen Antifaschisten aus Bückeburg geführt.
Die „Sicherheitsvorschriften“ sind beim alten geblieben. Das heißt
Personalausweis raus, Gürtel ausziehen, Taschen, Handy und Ähnliches
einschließen, sich abtasten lassen.

Auch der Getränkeautomat war immer
noch nicht zugänglich. Die Justizbeamt*innen führten eine fragwürdige
Strichliste – zumindest ließen sie irgendwann zeitweise keine weiteren
Prozessbegleiter*nnen mehr herein, da angeblich alle Plätze schon
besetzt seien, was nicht einmal ansatzweise der Wahrheit entsprach.
Direkt zu Anfang haben die beiden Anwälte des Angeklagten einen Antrag
auf Einstellung des Verfahrens gestellt, da zumindest drei (Beleidigung,
Nötigung, Bedrohung) der vier Anklagepunkte als Bagatellen einzustufen seien und Jahre zurück liegen würden. Die Anwälte äußerten darüber hinaus ihren Eindruck, dass an
ihrem Mandanten mit diesem Verfahren vor der 1. Großen Jugendkammer am
Landgericht ein Exempel vollzogen werden soll. Bereits beim letzten
Prozess-Komplex hätte sich jedoch gezeigt, „dass die Glaubwürdigkeit der
der militanten Neonazi-Szene“ angehörten Personen mit großer Vorsicht
zu bewerten sei. Anschließend fand eine mehrstündige Unterbrechung
zwecks eines Rechtsgesprächs unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Nach der Wiederaufnahme der Verhandlung verkündete der Richter
Kütemeyer, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer Einstellung des Verfahrens
hinsichtlich der drei genannten Anklagepunkten kommen werde. Ein
weiteres Rechtsgespräch wurde für später, nach der Befragung der
geladenen Zeug*innen, angekündigt.
Im Saal hatte sich derweil auch ein Neonazi mit weißem Hemd,
Sonnenbrille und eisernem Kreuz und dem Hals eingefunden.
Glücklicherweise nicht lange – denn ein Anwalt beantragte direkt nach
der Wiederaufnahme, dass dieser aus der Verhandlung auszuschließen sei,
da er als möglicher Zeuge in Betracht käme. Schließlich hatte er sowohl
die Neonazi-Zeugen Voigt und Bittner zum Gerichtsgebäude begleitet, als
auch mit selbigen die ganze Zeit in Kontakt gestanden. Darüber hinaus
zeigten die Anwälte ihre Empörung darüber, dass die Zeugen im
Gerichtsgebäude die Möglichkeit hatten sich auf dem Gang ohne Aufsicht
zu besprechen und nicht, wie angeordnet, im Zeugenschutzzimmer durch
eine*n Justizbeamt*in unter Beobachtung standen.
Im weiteren Verlauf wurden vier Zeugen zu einer vermeintlichen
Körperverletzung im Dezember 2013 vernommen. Darunter die Neonazis D.
Bittner und L. Voigt. Auch N. Viebig, damals der rechten Szene nah,
wurde gehört. Daneben sollte ein Antifaschist
aus Bückeburg als Zeuge vernommen werden, der zu Anfang ebenfalls zu den
Angeklagten des zweiten Sammelprozess-Komplexes vor dem Bückeburger
Landgericht gehörte. Dieser berief sich jedoch auf sein
Aussageverweigerungsrecht bei Belastung der eigenen Person und wurde
entlassen.
Nach der Aussage von D. Bittner erklärte einer der Anwälte seine Zweifel
an der Beweiskraft der Zeugenaussage, da dieser erhebliche
Erinnerungslücken, vor allem an seine Aussage bei der Polizei hatte.
Die Aussagen von D. Bittner und L. Voigt ähnelten sich
erstaunlicherweise auch in kleinsten Details; vor allem der Zeuge
Voigt erinnerte sich darüber hinaus jedoch größtenteils an nichts. Da
verwundert es auch nicht, dass dem Zeugen Voigt Vorhalte gemacht wurden,
in denen er bei vier Polizeibeamt*innen vier unterschiedliche Aussagen
zu der Frage nach dem vermeintlichen Täter gemacht haben soll.
Der Zeuge Viebig belastete den angeklagten Antifaschisten nicht. Er konnte
keinen Täter benennen und gab an sich nicht erinnern zu können, den
Angeklagten überhaupt vor Ort gesehen zu haben. Den Vorhalt, dass er bei
der Polizei anderen Angaben gemacht haben soll und sich sicher gewesen
sein soll, dass der angeklagte Antifaschist die vermeintliche
Körperverletzung begangen hatte, konnte er sich nicht erklären.
Am Ende des Verhandlungstages fand ein weiteres Rechtsgespräch unter
Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Am nächsten Prozesstag, dem 15.01.2016 wird ab 9:00 der selbe
Themenkomplex weiter verhandelt. Es sind weitere Zeug*innen zu dem
Themenfeld der vermeintlichen Körperverletzung geladen.
Es bleibt also weiter spannend.

Wir sagen deswegen: Zeigt Euch solidarisch mit dem angeklagten Genossen
in Bückeburg und begleitet die Prozesse weiterhin so zahlreich wie
bisher. Nächster Prozesstag: Freitag 15 Januar 9:00 Uhr – Kundgebung vor
dem Gericht ab 8:30 Uhr

Betroffen ist eine*r – gemeint sind wir alle!

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